GEFUNDENES FRESSEN

Zwergmöwen bei der Jagd auf Zuckmücken

Von übersommernden Zwergmöwen im Beltringharder Koog

Es sind in der Regel die unerwarteten und natürlich auch glücklichen Momente bei der Vogel- und Naturbeobachtung, die besonders intensiv erlebt werden und in der Erinnerung verhaftet bleiben. In den ersten Julitagen dieses Jahres geriet ich am Seedeich des Beltringharder Koogs in ein wahres Naturschauspiel, was sich in den Folgetagen an selber Stelle nicht mehr wiederholen sollte. Vom sogenannten „Treibselabfuhrweg“ aus lugten im Luftraum über der Deichkrone zunächst nur ein Dutzend Zwergmöwen kurz hervor, doch meine Neugier war damit geweckt und ich schaute auch außendeichs – „buten“ wie man hier an der Küste sagt. Die Luft war auf dieser Seite erfüllt von Vögeln und von anderen „Geflügelten“, nämlich Zuckmücken in gefühlten Myriaden. Das Staunen musste mit Körperbeherrschung geschehen. Ein offener Mund war dabei tunlichst zu vermeiden… so dicht bevölkerten die kleinen, grünlichen Hautflügler den Luftraum und alles worauf sie landen konnten.

Es war wirklich faszinierend den jagenden Möwen zuzusehen. Ihr federleichter Stil im Beherrschen des Luftraumes ließ bei mir, immer auf zwei Bodenkontakte „festgenagelt“, fast so etwas wie Neid aufkommen. Im fledermausartigen Flug flogen sie kleine Bögen und Parallelflüge zum Deich, ständig von jähen Richtungswechseln und spielerisch wirkenden Änderungen der Flughöhe geprägt. Das eigentliche Zuschnappen, also das Einverleiben der Zuckmücken, konnte die schnelle Kamera  besser einfangen als das menschliche Auge mit dem Fernglas. Oft genug hatte ich schon große Schwärme von Zwergmöwen über Wasserflächen jagen gesehen. Doch hier stand ich so unmittelbar im Treiben, dass sich sofort ein Gänsehaut-Feeling einstellte. Als sich dann auch noch stattliche Starenschwärme an dieser Jagd beteiligten, musste ich an den Filmtitel „Das große Fressen“ denken.

Bis auf einzelne Altvögel handelte es sich bei den Zwergmöwen um vorjährige Übersommerer. Im Ganzen ergab meine Zählung 355 Individuen. Viele Vögel dieser Summe ließen sich besonders gut im nah angrenzenden Watt erfassen. Dort sammelten sich die offenbar bereits ausreichend gesättigten Möwen.

Wenn man seine Aufmerksamkeit so intensiv diesen Flugkünstlern widmet, sieht man auch den unterschiedlichen Fortschritt bei der Mauser. Manche zeigten einen eher hellen Kopf, andere hatten eine ausgeprägte Kopfmaske, im Schwanz oft eine Mischung aus alten Jugendkleid- und ersten Schlichtkleidfedern. Im Unterflügel ließen sich teilweise erste, für adulte Zwergmöwen so typische, dunkel rußgraue Federn erkennen.

Kaum ein Individuum glich dem anderen. Die Mauser der Vögel ist letztlich auch der Grund für den sommerlichen Verbleib in nahrungsreichen Regionen, schließlich trotzt der Gefiederwechsel dem Vogel jede Menge Energie ab.

Das Brutgebiet der Zwergmöwen erstreckt sich von Skandinavien bis Ostsibirien. Dort beleben ihre Kolonien meist flachere, eutrophe Binnengewässer.

Bei uns und in den Nachbarländern kommen Bruten nur ausnahmsweise oder im geringen Umfang vor. Umso schöner, dass die Übersommererverbände unsere Region bereichern und damit vor allem im Beltringharder Koog bereits eine gewisse Tradition aufzeigen. Dieses Juli-Erlebnis werde ich jedenfalls nicht so schnell vergessen.

Martin Kühn
Martin Kühn

ornitho-Regionalkoordinator für Dithmarschen und Nordfriesland, Mitglied der Avifaunistischen Kommission in Schleswig-Holstein und Hamburg.

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