Vom Zug der Sumpfläufer
Sumpfläufer gehören in Deutschland zu den seltenen der regelmäßig durchziehenden Limikolen. Während sie im mitteleuropäischen Binnenland eher eine größere Ausnahme darstellen, können sie an den Küsten der Nord- und Ostsee regelmäßig in kleiner Zahl beobachtet werden. Die Brutgebiete befinden sich in den Fjällgebieten Fennoskandiens bis nach Sibirien. Viele Beobachter besuchen regelmäßig die Flachwassergebiete an Nord- und Ostsee um Limikolen verschiedener Arten- und Anzahl zu sehen. Das spärliche Auftreten sorgt dafür, dass die Beobachtung von Sumpfläufern immer wieder ein Highlight unter diesen Beobachtungen darstellt.
Die ersten Sumpfläufer können in Deutschland bereits Ende April auftreten. An der Küste kommen sie in der Regel aber erst von Anfang/Mitte Mai bis in den August (September) vor. Mitte/Ende Mai hat man in geeigneten Biotopen durchaus gute Chancen die heimziehenden Altvögel zu erwischen. Bereits im Juli beginnt allerdings schon wieder der Rückzug der Altvögel, während Jungvögel eher im August oder gar September beobachtet werden. Bekannte Rastgebiete des Sumpfläufers in Deutschland sind die Wattgebiete im südlichen Dithmarschen, die Köge entlang der Westküste Schleswig-Holsteins, Fehmarn, sowie die Feuchtgebiete in Mecklenburg-Vorpommern Bessin/Hiddensee, sowie in den Karrendorfer Wiesen.
Bei den regelmäßigen Limikolen-Zählungen an der deutschen Küste, findet vor allem Mitte Mai der Sumpfläufer an der Westküste Schleswig-Holsteins besondere Aufmerksamkeit. Früher galt die Art auch an der Küste als dokumentationspflichtige Seltenheit. Im Laufe der Jahre hat man (vor allem in den 90iger Jahren) festgestellt, dass es regelmäßige Vorkommen mit mehreren Vögeln in bestimmten Gebieten gibt. Die Beobachtungen und Zählungen konzentrieren sich im Frühjahr in den Gebieten südliches Dithmarschen, Meldorfer Bucht, sowie an der Eidermündung und in den Buchten nördlich von Husum (Schobüller Bucht).
Seit einigen Jahren beteilige ich mich an diesen Zählungen. Nicht nur, weil der Sumpfläufer eine interessante und spärliche Art ist, sondern weil auch die Stimmungen in den Gebieten sowohl im Watt als auch an der Küste im Frühjahr sehr beeindruckend sein können. Man hat Mitte Mai nicht nur Sumpfläufer sondern eben viele Tausend andere Limikolenarten im Prachtkleid und in Balzlaune in diesen Gebieten direkt vor der Linse. Die Wattgebiete im südlichen Dithmarschen gehören zur Kernzone des Nationalparks Wattenmeer und dürfen nicht betreten werden. Die wenigen Zählungen finden mit der Schutzstation Wattenmeer statt, die das Gebiet betreut und von der regelmäßige Watvogelzählungen in allen Gebieten koordiniert werden. Bessere und öffentliche Möglichkeiten Sumpfläufer Mitte Ende Mai zu beobachten gibt es auf der Halbinsel Helmsand in der Meldorfer Bucht. Dort gab es im Frühjahr zum Beispiel bis zu 30 Exemplare dieser schönen Limikolenart. Auf die Halbinsel führt ein öffentlicher Weg bis zu einer Schranke. Von dort braucht man einigermaßen gute Lichtbedingungen, ein gutes Spektiv und etwas Glück und Artkenntnis um die Vögel zwischen den anderen Strandläufern zu entdecken.
Eine weitere Stelle, die derzeit vielversprechend ist, ist an der Eidermündung vor der südlichen Küste der Halbinsel Eiderstedt. Das Gebiet Vollerwiek von …..aus kann bei Hochwasser ebenfalls mehrere Sumpfläufer bereithalten, wie auch das Katinger Watt im östlichen Anschluss daran. Auch in der Schobüller Bucht nördlich von Husum sind vom dortigen Steg aus schon mehrere Sumpfläufer im Frühjahr gesehen worden. Ansonsten kann man natürlich auch in anderen Gebieten immer wieder auf die Art treffen. Beobachtungen der letzten Jahre zeigten aber, dass sich die Sumpfläufer in diesen Gebieten konzentrieren und von dort aus direkt über Schleswig-Holstein in weiter nördliche Gebiete abziehen. Bei Kenntnis der Rufe, können zum Beispiel Sumpfläufer-Trupps aus den Rastgebieten höher im Himmel gen Nordost abziehend beobachtet werden.
Die Stimmung in den Wattgebieten ist oft sehr eindrucksvoll. Die Zeit zwischen 15. und 25. Mai wird immer als Kernzeit der Erfassung genutzt. Zählungen davor und danach finden natürlich auch statt, erbringen aber meistens nicht mehr größere Sumpfläuferzahlen. Gezählt wird bei fast jedem Wetter, wobei die Tide das ganze Geschehen sehr beeinflusst. Es gibt Jahre, in denen aufgrund der Wasserstandsbedingungen kaum Sumpfläufer gezählt werden können. Läuft das Wasser niedriger auf, bleiben viele Limikolen zu weit draußen auf den Wattflächen verteilt. Läuft das Wasser zu hoch auf, fliegen viele Limikolen schnell in die Salzwiesen und rasten verstreut in teilweise hohem Gras oder ein kleiner Teil auch direkt am Deich. Somit müssen die Bedingungen genau stimmen und die Gebiete gut bekannt sein. Mitte Mai kann man je nach Temperatur in kompletter, dicker Winterausstattung zur Zählung aufbrechen oder auch in kurzer Hose beobachten. Alles ist möglich. Im Watt ist die Stimmung aus Wolken, Sonne und Massen an Limikolen immer wieder beeindruckend. Die Wolken und die Sonne spiegelt sich im Watt und mit Auflaufend Wasser kommen die Vögel nach und nach singend, balzend, rufend immer näher an die Küste. Oft ist es etwas schwierig, die kleinen Sumpfläufer zwischen tausenden anderer Limikolen zu finden. Der Ruf und der Gesang geben aber bei der Beobachtung oft schon erste Hinweise auf die Anwesenheit der Vögel. Trupp für Trupp von Alpenstandläufern, Sanderlingen sowie Sandregenpfeifern wird nun durchgeschaut, bis man die kleineren, dunkler braunen Sumpfläufer dazwischen entdecken kann.
Da zu dieser Zeit oft mehrere Sumpfläufer anwesend sind, wird oft schon vor oder gar über den Beobachtern kräftig gesungen und gebalzt. Mischen sich dann auch noch singende Alpenstrandläufer, Sandregenpfeifer, Pfuhlschnepfen mit dazu ist dies ein unvergessliches Erlebnis. Trupps mit über 30 Sumpfläufern sind durchaus möglich. In den letzten drei Jahren haben sich die größeren Zahlen etwas in die Meldorfer Bucht und die Eidermündung verschoben. Es gab auch schon Zählungen mit bis zu 60 Vögel und mehr. Maximal wurden einmal sogar über 100 Sumpfläufer in einem Gebiet erfasst. Somit scheint die schleswig-holsteinische Westküste zu den größten Rastplätzen dieser Art in Europa außerhalb des Schwarzen Meeres zu gehören.
Der Rückzug im Herbst verteilt sich dann etwas mehr entlang der Küste und erbringt nicht mehr die großen Zahlen. Meistens werden dann nur einzelne Vögel oder kleine Trupps vornehmlich auch in den Kögen sowie in den Flachwasserbereichen an der Ostsee beobachtet. Ab August tummeln sich dort dann auch zunehmend die Jungvögel. Es lohnt sich also im Sommerhalbjahr immer wieder auf diese kleine Limikolenart zu achten und sich an einer Beobachtung der seltenen Vögel zu erfreuen.
Christian Wegst ist studierter Biologe und Lehrer. Bereits seit vielen Jahren zählt er sich außerdem zu den passionierten Vogelbeobachtern. Passion und Berufserfahrung setzt er unter anderem, in seiner Arbeit als Leiter des „Young Birders Club“ in Hamburg für die Nachwuchsförderung in der Naturbeobachtung ein.
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