Nicht nur Scheckente und Bartkauz – Im Spätwinter zum Vögel gucken nach Estland

Habichtskauz
Ende März – Anfang April zieht es viele Vogelbeobachter*innen eher in den Süden. Wir haben uns für eine Reise in das kleine Estland entschieden. Bei winterlichen Temperaturen, Schneetreiben, Eis und kräftigem Ostwind sind wir dort unterwegs gewesen auf der Suche nach Eulen, Spechten, Seevögeln, Überwinterern und ersten Zugvögeln.
Estland

Das klappte ganz gut: Dank unserer kundigen Reiseleitung konnten wir bald Scheckenten entdecken, von denen eine geringe Zahl an der estnischen Küste vor der Insel Saaremaa überwintert. Die Enten im Sturm eng zusammen auf dem Wasser zu beobachten, ihre Flugmanöver, die beginnende Balz, war ein tolles Erlebnis und für mich eines der Highlights der Reise. Auf der weitgehend eisfreien Ostsee hielten sich auch viele Eisenten, Trauerenten, Gänse- und Mittelsäger, Schellenten und einzelne Bergenten, Ohren- und Rothalstaucher auf.

Scheckenten

Küsten- und Waldlandschaften in dem dünn besiedelten Land waren beeindruckend. Insbesondere die winterliche Küstenlandschaft bot schöne Möglichkeiten zu Landschaftsaufnahmen. Ausgedehnte Regenmoore waren ebenfalls nicht nur landschaftlich sehr beeindruckend.

Gänse

Der Sperlingskauz ließ sich in den dichten Nadelwäldern auf Saaremaa ebenfalls nicht sehr lange bitten, reagierte auf Pfiffe und ließ sich so auch ganz ohne Klangattrappe locken. Er begegnete uns auf der Reise öfter, zunächst auf Saaremaa, dann auch in der nordwestlichen Taiga Estlands.

Sperlingskauz

Auf der Fahrt durchs Land waren neben Tundrasaat- und Blässgänsen Kraniche und Singschwäne ein häufiger Anblick, teils noch in großen Gruppen, aber auch schon paarweise in ihren potenziellen Brutrevieren.

Singschwan

In den Wäldern und Mooren im Nordwesten Estlands machten wir uns auf die Suche nach den Raufußhühnern und konnten tatsächlich Birkhühner (in großen Gruppen von bis zu 35 Männchen in einem Grünland-Komplex auf Moor) entdecken. Mühsamer war die Suche nach Auer- und Haselhuhn, aber dank der erfahrenen Reiseleiter gelangen uns gute Beobachtungen. Auch Weißrücken- und Dreizehenspecht wurden schließlich gefunden.

Kranich

Der Habichtskauz zeigte sich in der Dämmerung bei relativ schwacher Beleuchtung, aber für ein Belegfoto reichte es (siehe Titelbild). Von einer Reihe von Arten konnten nördliche Unterarten beobachtet werden, so von Kleiber, Schwanzmeise und Dohle. Die Halsbanddohlen brüteten im Schornstein eines unserer Hotels. Besonders gefreut habe ich mich auch über eine kleine Gruppe von Waldsaatgänsen, Spuren von Braunbären und Luchsen, Beobachtungen von Elch, Wolf und Goldschakal. Der Braunbär (Spur links) ist vermutlich Ende März gerade erst aus dem Winterschlaf erwacht. Die Luchsspur ist immer etwas asymmetrisch, wie man auf diesem Foto (rechts) gut erkennen kann.

Braunbärspur
Luchsspur

Insgesamt war die Reise ein schönes, winterliches Erlebnis. Viele der Sichtungen seltenerer Arten gelangen uns nur, weil wir eine erfahrene Reiseleitung hatten, die die entsprechenden Stellen und die richtigen Suchstrategien kannte. Nichtsdestotrotz: Ich möchte gern wieder nach Estland, vielleicht mal im Sommer mit dem Fahrrad. Weite, dünn besiedelte Landschaften, freundliche Menschen, eine interessante Kultur und eine gute Infrastruktur laden dazu ein.

Dohle

Die Reise wurde von Birdingtours organisiert. Mein besonderer Dank geht an unsere Guides Bert Rähni (Naturest) und Andreas Weber (Baltikum-Naturreisen).

Axel Jahn

Axel Jahn, 1962 im Wendland geboren, beobachtet seit seinem 12. Lebensjahr Vögel. Später studierte er Biologie und Deutsch. Seit 1996 ist er für die Loki Schmidt Stiftung in Hamburg tätig, zunächst im Boberger Dünenhaus und seit 2010 als Geschäftsführer. Die Stiftung führt zahlreiche Naturschutzprojekte durch. Für verschiedene Natur- und Umweltbildungseinrichtungen ist er als Seminarleiter und Referent tätig, so leitet er zum Beispiel den Kurs für Schutzgebietsbetreuer*innen in Schleswig-Holstein. Seine Naturfotos wurden in verschiedenen Publikationen gedruckt. Gern hält er auch naturkundliche Bildervorträge. Sein aktuelles Fernglas ist ein Swarovski NL Pure 10×42. Er fragt sich immer noch, ob er nicht vielleicht doch besser das 8×42 hätte nehmen sollen.