Auftakt zur Reihe „Vögel in der Kultur“

Die Amsel

Und darum wird es gehen

In unserem Blog haben wir bisher ausschließlich Beiträge publiziert, in denen es um spektakuläre Vogelbeobachtungen, ornithologisch relevante Events und um Aktionen zum Schutz und zur Rettung von Vögeln und deren Lebensraum ging, also um Vögel in der Natur.

Mit diesem Beitrag nun eröffnet Orniwelt eine lockere Reihe mit assoziativ-essayistischen Beiträgen, die einen Blick darauf werfen, wie „unsere gefiederten Freunde“, so der Komponist Morton Feldman zu seinem Kollegen John Cage, in der Kultur und dort in den Religionen und Mythen und besonders in den Künsten – also in Musik (der französische Komponist Olivier Messiaen war Ornithologe, was sich explizit in seinem Œuvre niedergeschlagen hat), Film, Literatur, Malerei und auf der Bühne – behandelt werden.

Unter ‚Kultur‘ im Singular sei hier das Gegenteil von ‚Natur‘ verstanden, also jegliche Art von menschlicher Tätigkeit und die daraus resultierenden Artefakte.

In der Kultur also tauchen Vögel auf vielfältige Weise auf, hier nur einige Beispiele:

  • in Mythen (Zeus als Schwan mit Leda und als Adler mit Asteria und Ganymed in Griechenland; der Vogel Phönix in Ägypten),
  •  in Märchen („Der Zaunkönig und der Bär“ (Grimm), „Das hässliche Entlein“ (Andersen), diverse Gänse),
  • symbolisch (der Heilige Geist als Taube – von ihm wurden im Mittelalter Federn und Eier als Reliquien gehandelt –, Picassos Friedenstaube),
Höckerschwan (Cygnus olor)
  • allegorisch (der Rabe oder die Krähe – mal mehr, mal weniger schlau – in der Fabel),
  • in Redensarten („einen Vogel haben“, „den Vogel abschießen“), das Deutsche Sprichwörter-Lexikon verzeichnet allein unter „Vogel“ 106 Einträge, hinzu kommen noch die diversen Komposita,
  • metaphorisch (der Rabe bei E. A. Poe),
  • philosophisch (die Eule der Minerva  unergründlich in Alfred Hitchcocks und surreal-humorvoll in Pier-Paolo Pasolinis Filmen mit Vögeln als Protagonisten) oder
  • realistisch (John Frankenheimers klassisches BioPic aus dem Jahr 1962 über Robert Franklin Stroud, der vom Mörder nach seiner Begnadigung vom Galgen im Selbststudium zum anerkannten Ornithologen wurde, The Birdman of Alcatraz mit Burt Lancaster in der Titelrolle).
Bereits ein flüchtiger Blick auf die Rolle der Vögel in Kunst und Kultur legt die Vermutung nahe, dass Vögel dort eine universelle Sehnsucht des Menschen verkörpern – mit einigen signifikanten Ausnahmen, wo sie als Bedrohung erscheinen.
Schelladler
Schelladler (Clanga clanga)

Das wohl am häufigsten herangezogene Attribut ist die Fähigkeit zu fliegen, die mit „Freiheit“ assoziiert wird. Damit verbunden ist das Bild eines im Käfig gefangenen Vogels (der goldene Käfig) und das des aus dem Käfig entflohenen Vogels.

„Frei wie ein Vogel“ hat aber nichts mit dem Wort „vogelfrei“ zu tun, wie uns Röhrichs Lexikon der sprichwörtlichen Redewendungen belehrt: „Die Wendung geht darauf zurück, daß dem Körper des Geächteten das Grab versagt, daß er vielmehr ›den Vögeln erlaubt‹, d.h. den Raubvögeln anheimgegeben wurde.“

Ein weiteres Attribut ist der Gesang der Vögel, der als Vergleich mit der menschlichen Stimme verwendet wird, wenn diese schön singt, ist es die Nachtigall – Luther etwa wurde für seine Kirchenlieder als die „wittenbergische Nachtigall“ gefeiert –, will man sie abwerten, wird das Gekrächze der Raben bemüht. Auch spielt der Gesang bei Julias flehentlichem Hoffen gegenüber Romeo eine Rolle:

Willst du schon gehn? Der Tag ist ja noch fern.
Es war die Nachtigall, und nicht die Lerche

Weitere Attribute werden im Verlauf dieser Reihe wohl sicherlich noch auftauchen, Sie dürfen neugierig sein. In dem ersten Beitrag der Reihe wird es um Vögel in der Musik gehen, und zwar in den Songs einer bestimmten Band, mehr sei hier noch nicht verraten. 

Zum Nachlesen

  • John Cage, Silence. Lectures and writings, Hanover / New England 1961
  • Lutz Röhrich, Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, Freiburg, Basel, Wien 1994
  • William Shakespeare, Sämtliche Werke, übers. von August Wilhelm Schlegel und Ludwig Tieck, hrsg. von Anselm Schlösser, Berlin 1975
  • Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hg.), Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Leipzig 1867ff.
Herbert Neidhöfer

Herbert Neidhöfer

Der 1960 an der Mosel geborene Autor hat in Hamburg Literaturwissenschaft, Soziologie und Philosophie studiert. Nach Jahren in Berlin lebt er nun in Heide in Dithmarschen. Sein Lieblingsvogel ist der Zilpzalp (Phylloscopus collybita).

herbert-neidhoefer.de 

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